Der Nachtfalter und Frau Schmetterling:
Auf einer Blume unten am Wiesengrund saß einst Frau Schmetterling und
sonnte sich im warmen Sonnenlicht des beginnenden Morgens.
Prächtig schillerten ihre Flügel und von weitem besehen war
ihr schlanker Körper so voller Liebreiz, daß der junge Herr
Nachtfalter seinen Blick gar nicht mehr abwenden konnte und
sogar seine große Müdigkeit vergaß.
Er war so angetan von der Schönen, daß er allen Mut
zusammennahm und sich auf die Blume neben ihr setzte.
"Einen schönen Tag, holde Frau", begrüßte er sie mit unsicherer Stimme.
Frau Schmetterling aber musterte ihn geringschätzig und wandte sich ab.
"Geh mir aus der Sonne, du häßliches Flattertier", sagte sie
mit ihrer schrillen, hohen Stimme.
Herr Nachtfalter aber rückte näher an sie heran. Erst jetzt
erkannte er, daß ihre Flügel brüchig waren, ihr Gesicht faltig war und
ihre Fühler schlaff herunterhingen.
"Was willst du noch von mir, gehe deines Weges, die Blume
ist nicht groß genug für zwei. Meine Flügel will ich sonnen,
doch du bist mir im Weg, du einfältiges und häßliches Geschöpf",
zeterte Frau Schmetterling weiter.
Beleidigt zog Herr Nachtfalter des Weges. Nur einmal noch schaute
er sich um und sah einen mächtigen, schwarzen Vogel, der sich aus
großer Höhe auf Frau Schmetterling herabstürzte.
Ehe er sich versah, hatte der Vogel Frau Schmetterling gefressen.
"Ach wie vergänglich doch die Schönheit ist," dachte
Herr Nachtfalter bei sich, bevor er sich zum Schlafen unter
die Rinde eines Baumes verkroch.
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